DPhG-Statement: Apotheke der Zukunft ohne Apothekerinnen und Apotheker? Von Risiken und Nebenwirkungen des geplanten Apotheken-Reformgesetzes (ApoRG)

DPhG-Statement: Apotheke der Zukunft ohne Apothekerinnen und Apotheker?  Von Risiken und Nebenwirkungen des geplanten Apotheken-Reformgesetzes (ApoRG)

Der vom BMG vorgelegte Referentenentwurf eines Gesetzes für eine Apothekenhonorar-und Apothekenstrukturreform (ApoRG) soll die Arzneimittelversorgung in der Fläche sichern. Vorgesehen sind unter anderem „eine Flexibilisierung und Entbürokratisierung bei strukturellen Anforderungen“. Was sich auf den ersten Blick positiv anhört, entpuppt sich jedoch als Qualitätsverlust in der Arzneimittelversorgung und wird die Weiterentwicklung des Apothekerberufs ausbremsen. Insbesondere das Vorhaben, dass Filialapotheken ohne einen vor Ort anwesenden approbierten Apotheker betrieben werden können, gefährdet die Patienten- und Versorgungssicherheit, steht im Widerspruch zu wissenschaftlicher Evidenz und ignoriert die gewachsene Bedeutung des Apothekers für die Arzneimitteltherapiesicherheit.

Die Beratung zu Arzneimitteln und die Therapiebegleitung der Patienten ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die nur von wissenschaftlich an einer Universität ausgebildeten Apothekern verantwortlich wahrgenommen werden kann. Dabei reicht es nicht, wie es der Referentenentwurf vorsieht, einen Apotheker bei Bedarf online („telepharmazeutisch“) hinzuzuschalten, weil dies fälschlicherweise voraussetzt, dass bereits der Bedarf für eine pharmazeutische Intervention auch ohne Apotheker erkannt werden kann. Dabei ist die pharmazeutische Kompetenz gerade auch im persönlichen Patientengespräch unverzichtbar, um aktuelle und künftige Arzneimittelrisiken zielgerichtet erkennen zu können. Eine patientenindividuelle Beratung von Patienten mit komplexer Medikation, z.B. um potentielle Arzneimittelwechselwirkungen zu bewerten oder auch Non-Adhärenz bzw. Anwendungsschwierigkeiten zu erkennen und Gegenmaßnahmen einzuleiten, kann daher nur von einem Apotheker vor Ort geleistet werden.

Zahlreiche internationale Studien zeigen eindrücklich, dass eine Pharmazeutische Betreuung zu einer Verbesserung patientenrelevanter Endpunkte führt. Inzwischen gibt es auch genügend wissenschaftliche Evidenz aus Deutschland, wie an zwei Beispielen erläutert werden soll. In einer 2019 veröffentlichten randomisierten kontrollierten Studie (Pharmacy-based interdisciplinary Program for Patients with Chronic Heart Failure, PHARM-CHF) konnte die Adhärenz von Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz durch ein interprofessionelles Medikationsmanagement unter maßgeblicher Beteiligung öffentlicher Apotheker signifikant verbessert werden (1). Daraufhin wurde die Empfehlung zur Einbindung von Apothekern in die Nationale Versorgungsleitlinie (NVL) Chronische Herzinsuffizienz aufgenommen (2). Mit einem durch Hausärzte und Apotheker gemeinsam durchgeführten Medikationsmanagement (Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen, ARMIN) bei chronisch kranken Patienten, die fünf oder mehr systemisch wirkende Arzneimittel dauerhaft einnahmen, war das Mortalitätsrisiko signifikant reduziert (3). In beiden Fällen wurde eine Verbesserung der Patientensicherheit durch niederschwellige aber kontinuierliche Interventionen durch öffentliche Apotheker erreicht, die sich nach einer Erstintervention im Versorgungsalltag und aus dem regelmäßigen Patientenkontakt ergeben haben. Durch die fortschreitende Digitalisierung wird die Arzt-Apotheker-Zusammenarbeit in näherer Zukunft, z.B. mit dem elektronischen Medikationsplan, der elektronischen Patientenakte sowie speziell dafür entwickelten Messenger-Diensten, erleichtert werden.

Mehr denn je werden angehende Apotheker durch die universitäre Ausbildung auf diese Aufgaben vorbereitet. Im Jahr 2001 wurde das Staatsexamensfach Klinische Pharmazie eingeführt, sodass die wissenschaftlichen Grundlagen der Pharmazeutischen Betreuung fest im universitären Curriculum verankert sind. Indem von der Bundesapothekerkammer gemeinsam mit der DPhG und vielen anderen pharmazeutischen Verbänden erarbeiteten Positionspapier zur Novellierung der Approbationsordnung wurde 2022 eine Intensivierung der Studieninhalte in den Fächern Pharmakologie und Klinische Pharmazie vorgeschlagen, um den oben beschriebenen neuen Anforderungen des Apothekerberufes noch besser gerecht zu werden (4). Bedauerlicherweise wurde diese überfällige Aktualisierung der universitären Ausbildung vom BMG mit dem Hinweis auf die Apothekenstrukturreform zunächst zurückgestellt.

Im europäischen Ausland und in den angelsächsischen Ländern geht man einen vollkommen anderen Weg und hat die wichtige Rolle der Apotheker zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit nicht nur erkannt, sondern auch deutlich gestärkt. Einige Länder haben inzwischen sogar den „Prescribing Pharmacist“ eingeführt. Ende 2023 hat der Bundesgesundheitsminister den Vorschlag gemacht, dass besonders qualifizierte „Advanced Practice Nurses“ (APN)“ bestimmte Medikamente verschreiben können sollen (5). Apotheker sind mit ihrer akademischen Qualifikation als Arzneimittelexperten prädestiniert, diese Aufgabe ebenfalls wahrzunehmen. Die Erfahrungen in anderen Ländern zeigen, dass damit der Zugang zu notwendigen Medikamenten erleichtert und Arztpraxen entlastet werden (6).

Eine „Apotheke ohne Apotheker“ wird all diese Aufgaben nicht wahrnehmen können. Das telepharmazeutische Hinzuziehen eines Apothekers ist nicht nur wissenschaftlich unbegründet, sondern schlichtweg unpraktikabel, da dieser während der Online-Beratung keine Präsenzaufgaben wahrnehmen kann und damit an anderer Stelle fehlt. Die Gesundheitsminister der Länder haben diese „Nebenwirkungen“ des Referentenentwurfs erkannt und lehnen „Filialapotheken ohne apothekerliche Aufsicht“ ab. Am 13.06.2024 stellten sie zudem fest, dass „die persönliche, fachkundige Medikationsberatung durch approbierte Apothekerinnen und Apothekerwesentlich zur Therapietreue, zur Anwendungssicherheit und damit zum Therapieerfolg beiträgt“ (7).

Es bleibt zu hoffen, dass auch das BMG unter Berücksichtigung der wissenschaftlichen und klinischen Evidenz den Referentenentwurf in der jetzigen Form überdenkt. Stattdessen sollte das Ministerium die strukturellen Voraussetzungen dafür schaffen, das Potenzial der wissenschaftlich hervorragend ausgebildeten Arzneimittelexperten zur Verbesserung der Patientensicherheit stärker zu nutzen als bisher.

Prof. Dr. Kristina Friedland
Mainz, Vorsitzende der DPhG-Landesgruppe Rheinland-Pfalz

Prof. Dr. Elke Oetjen
Hamburg, Vorsitzende der DPhG-Fachgruppe Pharmakologie und Toxikologie

Prof. Dr. Oliver Scherf-Clavel
München, Vorsitzender der DPhG-Fachgruppe Klinische Pharmazie

Dipl.-Pharm. Nadine Metzger
Reutlingen, Vizepräsidentin Apotheken der DPhG

Prof. Dr. Ulrich Jaehde, Bonn
Präsident der DPhG

Unter Mitwirkung von (in alphabetischer Reihenfolge): Prof. Dr. Robert Fürst, München, Generalsekretär der DPhG; Dr. Susanne Griffiths, Ludwigshafen, Vizepräsidentin Industrie der DPhG; Prof. Dr. Anna Junker, Tübingen, Vizepräsidentin Hochschulen der DPhG; Prof. Dr. Charlotte Kloft, Berlin, Vorsitzende der DPhG-Landesgruppe Berlin-Brandenburg; Dr. Thomas Maschke, Rodewisch, Vizepräsident Finanzen der DPhG

 

Literatur

1.   Schulz et al. Pharmacy-based interdisciplinary intervention for patients with chronicheart failure: results of the PHARM-CHF randomized controlled trial. Eur JHeart Fail 2019; 21: 1012–1021

2.   Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ). Nationale Versorgungsleitlinie (NVL) Chronische Herzinsuffizienz. 3. Aufl., Version 3, 2019

3.   Meid et al. Mortality and hospitalizations among patients enrolled in an interprofessional medication management program — results of the Medicines Initiative Saxony–Thuringia (Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen, ARMIN). DtschArztebl Int 2023; 120: 253–60

4.   Bundesapothekerkammer (BAK). Positionspapier Runder Tisch „Novellierung der Approbationsordnung für Apotheker“, 10.05.2022.

5.   Apotheke adhoc 20.12.2023. https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/politik/nurses-sollen-arzneimittel-verschreiben/

6.   Walpola et al. The accessibility of pharmacist prescribing and impacts on medicines access: A systematic review. Res Social Adm Pharm 2024;20: 475-486.

7.    Beschlüsse der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) 12./13.06.2024. TOP6.1: Erhalt der wohnortnahen Arzneimittelversorgung durch die inhabergeführte Vor-Ort-Apotheke. https://www.gmkonline.de/Beschluesse.html?id=1576&jahr=2024

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