Breite Teile der Bevölkerung sind vom Nutzen der Homöopathie überzeugt. 2023 wurden laut Daten des IQVIA PharmaScope 45 Millionen homöopathische Arzneimittel in deutschen Apotheken abgegeben. Diese werden ärztlich verordnet oder von Patienten zur Selbstmedikation gewünscht. In letzter Zeit wurde kontrovers über ihre Erstattungsfähigkeit durch die gesetzlichen Krankenkassen diskutiert. Die Erstattungsfähigkeit sollte sich wie für alle in der Apotheke erhältlichen Arzneimittel an ihrer pharmazeutischen Evidenz orientieren, wobei Evidenz als eine klinisch-validierte Nutzen-Risiko-Bewertung zu verstehen ist. Aufgrund ihres Status als Arzneimittel befassen sich pharmazeutische Unternehmen, öffentliche Apotheken und Behörden (beispielsweise das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Herausgeber des Deutschen Homöopathischen Arzneibuchs) mit der Herstellung, der Abgabe und der Sicherung der Qualität von Homöopathika. Da sie apothekenpflichtig sind und auch bleiben sollten, um die Beratung und Überwachung dieser Arzneimittelgruppe zu sichern, sollten sie auch weiterhin in der pharmazeutischen Ausbildung behandelt werden. Für eine ganzheitliche Betreuung von Patientinnen und Patienten ist es wichtig, Chancen, Grenzen und Gefahren in der Anwendung von alternativen Therapien zu kennen und einordnen zu können, um auch bei diesen Fragestellungen ein Ansprechpartner zu sein.
Die Grundprinzipien der Homöopathie – das Simile-Prinzip und die Potenzierung der Wirksamkeit der homöopathischen Arznei durch dessen ritualisierte Verdünnung –waren bereits zu Lebzeiten Samuel Hahnemanns (1755–1843) angesichts der sich etablierenden naturwissenschaftlichen Medizin umstritten, nach der gängige Hypothesen überprüft, unhaltbare Vorstellungen verworfen und plausible Konzepte fortentwickelt wurden. Es gibt auch heute weder aus experimentellen noch aus klinischen Untersuchungen eine wissenschaftliche Basis dafür, die postulierte Wirkungsweise homöopathischer Arzneimittel für plausibel zu halten.
Aus der pharmazeutischen Diskussion über homöopathische Arzneimittel darf nicht abgeleitet werden, dass das zugrundeliegende Konzept der Homöopathie in der wissenschaftlichen Pharmazie akzeptiert ist. Darüber hinaus ist es notwendig, eine klare Trennung von Homöopathie und evidenzbasierter Phytotherapie (pflanzliche Arzneimittel) vorzunehmen, denn in beiden Bereichen werden Arzneipflanzen als Rohstoff zur Herstellung der Arzneimittel verwendet. In der rationalen Phytotherapie werden Arzneipflanzen und ihre Zubereitungen (z.B. Extrakte) jedoch aufgrund naturwissenschaftlich überprüfbarer Erkenntnisse in therapeutisch wirksamen Dosierungen angewandt, die damit um viele Zehnerpotenzen höher sind als in der Homöopathie. Daher sollte in der pharmazeutischen Praxis eine klare Differenzierung zwischen Homöopathie und rationaler Phytotherapie stattfinden.
Zum wissenschaftlichen Diskurs gehört das Bewerten und Infragestellen von Lehrmeinungen und gängigen wissenschaftlichen Vorstellungen. Jedem Forscher und jeder Forscherin steht selbstverständlich die klinische und experimentelle wissenschaftliche Befassung mit der Homöopathie frei. Dies sollte jedoch im Bewusstsein geschehen, eine Thematik zu bearbeiten, die in unserer Gesellschaft teilweise sehr emotional diskutiert wird. Daher ist anzuraten, Befunde und Schlussfolgerungen, die nach dem derzeitigen naturwissenschaftlichen Stand der Kenntnisse nicht plausibel sind, vor einer Veröffentlichung äußerst rigoros zu prüfen.
Die Wirkung homöopathischer Arzneimittel beruht vorwiegend auf einem Placebo-Effekt, so dass Homöopathika durchaus zu einem Therapieerfolg beitragen können. Dem Simile-Prinzip entsprechend muss zur Auswahl des geeigneten Homöopathikums das individuelle Symptomen- und Persönlichkeitsprofil der Patienten und Patientinnen erfasst werden. Dies erfordert eine zeitintensive, persönliche Zuwendung, die in der wissenschaftlichen Medizin mit ihrer immer effektiveren apparativen und labormedizinischen Diagnostik und der daraus abgeleiteten evidenzbasierten Leitlinien-Therapie häufig nicht geleistet werden kann. Die intensive, persönliche Auseinandersetzung mit den Patientinnen und Patienten wirkt sich sicherlich vorteilhaft auf das Therapieergebnis aus.
Zusammenfassend möchten wir festhalten, dass nicht der therapeutische Erfolg der Homöopathie als Ganzes Glaubenssache ist, sondern die Überzeugung, dass dem homöopathischen Arzneimittel eine tragende Rolle für die Genesung eines Patienten zukommt. Aus diesem Grund fordert die DPhG – die wissenschaftliche Gesellschaft rund um alle Fragen zu Wirkstoffen und Arzneimitteln –, dass wissenschaftliche Aussagen zu homöopathischen Arzneimitteln äußerst kritisch zu überprüfen sind.
Anmerkung: Die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft (DPhG) hat sich aufgrund der zuletzt wieder verstärkt aufkommenden Diskussionen um die Homöopathie mit dieser alternativen Therapierichtung befasst. Die DPhG-Fachgruppen Pharmakologie, Allgemeinpharmazie und Pharmazeutische Biologie haben dazu das Statement der DPhG vom 30.10.2005 überarbeitet.
Prof. Dr. Robert Fürst
Generalsekretär der DPhG
Prof. Dr. Gregor Fuhrmann
Vorsitzender der DPhG-Fachgruppe Pharmazeutische Biologie
Dipl.-Pharm. Nadine Metzger
Vizepräsidentin der DPhG und stellv. Vorsitzende der DPhG-Fachgruppe Allgemeinpharmazie
Prof. Dr. Elke Oetjen
Vorsitzende der DPhG-Fachgruppe Pharmakologie
Dr. Susanne Griffiths
Vizepräsidentin Industriepharmazie der DPhG
Dr. Thomas Maschke
Vizepräsident Finanzen der DPhG
Prof. Dr. Ulrich Jaehde
Präsident der DPhG