DPhG-Statement: Pharmaziegeschichte – ein integraler Bestandteil der pharmazeutischen Wissenschaften

DPhG-Statement: Pharmaziegeschichte – ein integraler Bestandteil der pharmazeutischen Wissenschaften

Analog zur Medizinerausbildung weist die Approbationsordnung für Apotheker seit den frühen 1970er-Jahren geisteswissenschaftliche Elemente aus den Bereichen Geschichte, Fachsprache, Ethik sowie dem Pharmazeutischen Recht auf. Entsprechender Unterricht wurde bereits in den 1930er Jahren erteilt und erfuhr seine akademische Anerkennung in den 1960er-Jahren. Dabei geht es beispielsweise um ein vertieftes Verständnis des Berufsbildes im historischen Wandel, die Abgrenzung der Aufgaben von Arzt und Apotheker, aber auch um Strategien der Arzneimittelforschung und ihre Erfolge. Zu nennen sind hierbeispielsweise die Rezeptortheorie als Grundlage rationaler Arzneimittelentwicklung, sowie in jüngerer Zeit das Aufkommen biotechnologischer Wirkstoffe. Historische Beispiele von Wirkstoffentwicklungen aufgrund visionärer Beurteilungen von Zufallsbefunden („Serendipity“) schärfen das Bewusstsein für den Wert aufmerksamer Beobachtungen experimenteller Befunde. Thematisiert werden ebenso Misserfolge und „Katastrophen“, etwa am Beispiel von „Contergan“, um Studierenden die Bedeutung einer verantwortlichen klinischen Prüfung und der Pharmakovigilanz aufzuzeigen. Hier erschließt sich letztlich auch der Sinn unserer heutigen Arzneimittelgesetzgebung. Die immer wieder geführte Diskussion über den Wert der flächendeckenden, freiberuflichen Organisation der Arzneimittelversorgung erklärt sich ebenfalls nur aufgrund historischer Kenntnisse. Das 2022 von der Bundesapothekerkammer verabschiedete Positionspapier zur Novellierung der Approbationsordnung für Apotheker wertet daher „pharmaceutical humanities“ auf und kommt damit dem Wunsch nach der Vertiefung von Inhalten wie Ethik und Nachhaltigkeit in der Apothekerausbildung nach.

Akzeptanz, ja sogar der tendenzielle Wunsch nach einer Ausweitung derartiger Inhalte bedürfen zweifelsfrei einer akademischen Verankerung, schon allein um geeignetes Lehrpersonal vorzuhalten und auszubilden. Schließlich müssen akademisch hohe Standards gesetzt und der Entwicklung historischer und pharmazeutischer Wissenschaften angepasst werden. Auch hier ist natürlich eine weitgehende Einheit von Forschung und Lehre anzustreben. Bislang wird die akademische Lehre dieses Fachs in Deutschland flächendeckend von promovierten Pharmaziehistorikerinnen und -historikern geleistet, die allesamt Apothekerinnen und Apotheker sind und ihre akademische Qualifikation an den Universitäten Marburg, Braunschweig, Heidelberg, Greifswald und München erhalten haben. Eine weltweit herausragende Stellung nimmt hier das Institut für Geschichte der Pharmazie und Medizin an der Universität Marburg ein, das von Rudolf Schmitz 1965 gegründet wurde. Inzwischen ist das Marburger Institut allerdings die einzige deutsche Institution, in der die Qualifikation zur akademischen Lehre im Bereich der Pharmaziegeschichte erlangt werden kann. Das ist insofern bedenklich, als dass die Mehrzahl der Lehrbeauftragten an den 22 pharmazeutischen Hochschulen des Landes sich dem Pensionsalter nähert und die in der Diskussion befindliche Novellierung der Approbationsordnung für Apotheker eher eine Erweiterung des historisch-humanwissenschaftlichen Themenkomplexes vorsieht. Zahlreiche Medienanfragen nach Expertise im pharmaziehistorischen Bereich (Deutschlandfunk, ZDF, Terra X, FAZ, MDR, ARTE) dokumentieren ein hohes Interesse an pharmaziegeschichtlich fundierten Inhalten. Dies gilt auch für Beiträge der Zeitschrift Pharmakon, deren Themenhefte stets mit einem historischen Beitrag beginnen. Eine Vielzahl erfolgreich eingeworbener Drittmittelprojekte dokumentiert zudem das Interesse an pharmaziehistorischer Forschung: Beispielhaft zu nennen wäre hier das in Kooperation mit verschiedenen Institutionen durchgeführte Projekt zu historischen Rezepten an der Universität Marburg oder die interdisziplinäre Erforschung altägyptischer Balsamierungssubstanzen. In Marburg konnten jüngst interdisziplinäre Projekte mit pharmazeutischen Chemikern und Biologen etabliert werden, was zeigt, dass die Pharmaziegeschichte auch im Bereich naturwissenschaftliche Forschungen ein interessanter Partner ist. Nicht zuletzt bietet die Beschäftigung mit Quellen zum Arzneischatz vergangener Epochen Anregungen für die moderne Arzneimittelentwicklung. Ein jüngst von der Laienpresse aufgegriffenes Beispiel ist die Entwicklung des Mineralocortocoid-Rezeptorantagonisten Finerenon (Kerendia®), die ihren Ausgang im Studium wissenschaftlicher Literatur der 1940er-Jahre nahm.  

Akademische Pharmaziegeschichte erscheint insofern unverzichtbar im Hinblick auf eine fundierte universitäre Lehre, wie sie die derzeitige und zukünftige Approbationsordnung für Apotheker fordert. Sie hat zudem ein beachtliches Potenzial hinsichtlich drittmittelgeförderter Forschungsprojekte. Die Pharmazie wäre gut beraten, ihre historischen Wurzeln nicht immer weiter zu beschneiden, sondern die Pharmaziegeschichte in den strukturellen Überlegungen der Pharmazeutischen Institute wieder stärker zu berücksichtigen.

Prof. Dr. Robert Fürst
Generalsekretär der DPhG

Dr. Susanne Griffiths
Vizepräsidentin Industrie der DPhG

Prof. Dr. Anna Junker
Vizepräsidentin Hochschulen der DPhG

Dr. Thomas Maschke
Vizepräsident Finanzen der DPhG

Dipl.-Pharm. Nadine Metzger
Vizepräsidentin Apotheken DPhG und stellv. Vorsitzende der DPhG Fachgruppe Allgemeinpharmazie

Prof. Dr. Ulrich Jaehde
Präsident der DPhG

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