Für die Verbesserung der Arzneimittelsicherheit ist neben der Entwicklung sicherer Arzneimittel auch die Optimierung der Arzneimittelanwendung ein entscheidender Aspekt. In wissenschaftlichen Studien wurde immer wieder gezeigt, dass der Medikationsprozess gravierende Sicherheitslücken aufweist und Medikationsfehler zu schwerwiegenden unerwünschten Arzneimittelereignissen (UAE) führen können. Heute besteht Konsens darüber, dass diese Risiken für den Patienten nicht akzeptabel sind und daher Handlungsbedarf besteht. Seit der Veröffentlichung des ersten Aktionsplans zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) in Deutschland durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) im Jahre 2007 hat das Interesse an diesem Thema in der Öffentlichkeit stetig zugenommen.
Die vierte Verordnung zur Änderung der Apothekenbetriebsordnung beschreibt das Medikationsmanagement als eine pharmazeutische Tätigkeit, „mit dem die gesamte Medikation des Patienten, einschließlich der Selbstmedikation, wiederholt analysiert wird mit den Zielen, die Arzneimitteltherapiesicherheit und die Therapietreue zu verbessern, indem arzneimittelbezogene Probleme erkannt und gelöst werden.“ Zudem wurde festgelegt, dass ein Medikationsmanagement von einer Apothekerin oder einem Apotheker durchgeführt werden muss. Die Apothekenbetriebsordnung liefert hiermit eine Steilvorlage für eine Beteiligung des Apothekers an Maßnahmen zur Verbesserung der AMTS.
Offen sind jedoch Inhalte und Umfang eines Medikationsmanagements, das auch in der internationalen wissenschaftlichen Literatur unterschiedlich beschrieben wird. In Übereinstimmung mit dem Pharmaceutical Care Network Europe (PCNE) empfiehlt die DPhG, drei verschiedene Stufen zu unterscheiden:
1. ein einfaches Medikationsmanagement anhand der in der Apotheke vorliegenden Daten (z.B. Rezepte, Selbstmedikation, Kundendatei). Hiermit können vor allem Doppelverordnungen, Interaktionen und nicht plausible Dosierungen erkannt werden.
2. ein erweitertes Medikationsmanagement wie unter 1. beschrieben unter zusätzlicher Einbeziehung weiterer Informationen vom oder über den Patienten. Hiermit können auch unerwünschte Arzneimittelereignisse, Adhärenzprobleme und Anwendungsfehler erkannt werden.
3. ein klinisches Medikationsmanagement wie unter 2. beschrieben unter zusätzlicher Einbeziehung von ärztlichen Daten (z.B. Diagnosen, Labordaten). Hiermit kann die Medikation auch auf Indikationen und Kontraindikationen überprüft und die Dosierung der Arzneimittel an die Nieren- und Leberfunktion angepasst werden.
Die DPhG empfiehlt die kurzfristige Implementierung eines einfachen und erweiterten Medikationsmanagements in öffentlichen Apotheken. Aufgrund des Zeitaufwandes und der nötigen Expertise fordert die DPhG Gesetzgeber, Kostenträger und den Berufsstand auf, Konzepte für eine angemessene Umsetzung und Honorierung zu erarbeiten. Ein klinisches Medikationsmanagement erfordert strukturelle Voraussetzungen, die bisher nur im stationären Bereich gegeben sind. Im ambulanten Bereich sollten die Kostenträger entsprechende Modelle schaffen, die eine multiprofessionelle Zusammenarbeit erleichtern bzw. einfordern.
In diesem Zusammenhang sind die Universitäten und Apothekerkammern gefordert, die wissenschaftlichen und methodischen Grundlagen des Medikationsmanagements fest in Aus-, Fort- und Weiterbildung zu verankern. Eine zusätzliche Spezialisierung, wie sie schon in einigen Kammerbereichen angeboten wird, wäre hier wünschenswert. Für eine nachhaltige Etablierung ist es zudem unverzichtbar, die Ergebnisqualität eines Medikationsmanagements für die verschiedenen Patientengruppen wissenschaftlich zu evaluieren. Diese Forschung sollte an pharmazeutischen Instituten, idealerweise im Bereich Klinische Pharmazie, angesiedelt sein.
Die DPhG ist davon überzeugt, dass die Durchführung eines Medikationsmanagements einen hohen Nutzen für Patient, Arzt und Kostenträger birgt, indem sie zur Vermeidung von Medikationsfehlern und damit zu einer verbesserten Arzneimitteltherapiesicherheit beiträgt. Auf diese Weise entwickelt das Medikationsmanagement die wohnortnahe Arzneimittelversorgung weiter und sollte daher ein wesentlicher Eckpunkt eines zukünftigen Leitbilds für den Apothekerberuf sein. Die DPhG bietet ihre Unterstützung bei der Implementierung in Lehre, Forschung und Praxis an.
Apotheker Olaf Rose, Pharm.D., Elefanten-Apotheke, Steinfurt
Prof. Dr. Ulrich Jaehde, Universität Bonn
Prof. Dr. Kristina Leuner, Universität Erlangen-Nürnberg
Prof. Dr. Christoph Ritter, Universität Greifswald
Apothekerin Kathrin Müller, Vizepräsidentin
Dr. Thomas Maschke, Vizepräsident Finanzen
Prof. Dr. Dieter Steinhilber, Präsident