Wenn jemand das 100. Lebensjahr erreicht, sind bereits alle Laudationes gehalten und viele würdigende und ehrende Worte gesprochen worden. Mit dem Erreichen dieses hohen und würdigen Alters unterstreicht Dr. Feldmeier, den wir als „Nestor der Pharmazie in Mecklenburg-Vorpommern“ bezeichnen, einmal mehr, dass er für uns etwas Besonderes verkörpert.
Das Besondere begann schon in der Kindheit und Jugend, die der am 24. Juli 1924 in Hannover Geborene in der Lutherstadt Wittenberg verlebte – als bis heute bekennender Katholik an der Wiege der deutschen Reformation! Als im Mai 1945 ein finsteres Kapitel der deutschen Geschichte endete und ein ganzes Volk auf einen Neuanfang hoffte, machte sich auch Hans Feldmeier auf einen neuen Weg, der in eine bessere Zukunft führen sollte als dies der zurückliegende Arbeitsdienst und Wehrdienst und eine glücklich überstandene Verwundung verheißen konnten. 79 Jahre ist Hans Feldmeier nunmehr mit der Welt der Pharmazie verbunden, die er am 3. Mai 1945 als Praktikant in der Wittenberger Löwen-Apotheke betrat.
1948 besiegelte Hans Feldmeier seinen weiteren Weg in die Pharmazie mit dem Beginn seines Studiums an der Universität Rostock. Rostock blieb bis heute Ort seines Lebens und Wirkens. Es kann wiederum als etwas Besonderes angesehen werden, dass jemand wie Feldmeier sehr schnell leitende Funktionen im Apothekenwesen übernehmen und diese auch behalten konnte. So wurde er bereits 1954 Leiter der St. Georg-Apotheke, 1961 Kreisapotheker des Stadt- und Landkreises Rostock und war bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand im Juli 1989 Direktor des Pharmazeutischen Zentrums Rostock. Dies war sicher vor allem seiner fachlichen Kompetenz zuzuschreiben. Hans Feldmeier hat die Pharmazie immer auch als Wissenschaft gesehen und betrieben. Dies unterstreicht seine Promotion zum Dr. rer. nat. am damaligen Institut für Katalyseforschung der Akademie der Wissenschaften der DDR sowie die kontinuierliche wissenschaftliche Arbeit innerhalb und neben dem Berufsalltag als praktischer Apotheker, die sich u.a. in seiner Tätigkeit in der Arzneibuchkommission, der Bezirkstherapiekommission, im Zentralen Gutachterausschuss oder in der Medizinischen Gesellschaft, deren Vorstand er angehörte, äußerte. Seit 1964 war er Herausgeber einer monatlichen Arztinformation, die bei Auflagen von bis zu 1500 Stück über Rostock hinaus landesweit großen Zuspruch fand. Er widmete sich Problemen der Arzneimitteltherapie, der Standardisierung von Rezepturarzneien und der Arzneimittelsicherheit in zahlreichen Veröffentlichungen in der Fachpresse. Bekannt wurden seine Arbeiten zu Piktogramm-Kärtchen, die mit wenigen standardisierten Zeichen die wichtigsten Informationen über ein Arzneimittel zusammenfassten und im Vor-Computer-Zeitalter eine wichtige Unterstützung im Patientengespräch sein sollten. Dies war ohnehin sein Fokus in seiner Arbeit als Apotheker: die Patientinnen und Patienten, für deren adäquate Versorgung man sich einzusetzen hat! Mit dieser Haltung – sicherlich auch in Verbindung mit einer gewissen „Schalkhaftigkeit“ – konnte er seine Position im Apothekenwesen der Stadt Rostock und weit darüber hinaus auf- und ausbauen. Er war als Apotheker geschätzt und dies wurde auch öffentlich anerkannt mit Auszeichnungen wie der Hufeland-Medaille und der Döbereiner-Medaille, um nur zwei zu nennen. Vielleicht war das Gesundheitswesen in diesen 40 Jahren im Osten Deutschlands ohnehin eine gewisse Nische jenseits größerer ideologischer Zugeständnisse, weil die dort Tätigen eben auch von denen gebraucht wurden, die politische Vorstellungen hatten, in die Menschen wie Hans Feldmeier vielleicht nicht so perfekt passten.
Eine weitere Besonderheit ist natürlich Dr. Feldmeiers Wirken in der Scheele-Gesellschaft, der heutigen Landesgruppe Mecklenburg-Vorpommern der DPhG. Im Archiv der Scheele-Gesellschaft findet sich eine mit Schreibmaschine geschriebene „Rostocker Liste der einzuladenden Gäste zur Gründungs-Versammlung der Pharmazeutischen Gesellschaft“ – gemeint ist die Gründung der Landesgruppe Mecklenburg der Pharmazeutischen Gesellschaft am 24. Oktober 1948 in Rostock, die seit 1950 den Namen Scheele-Gesellschaft trägt. Am Ende besagter Einladungsliste findet sich auch die „Pharmazeutenschaft des Chemischen Instituts, Rostock“ – und mit einem auf diese Position verweisenden Pfeil der handschriftliche Vermerk „incl. Feldmeier“! Diese Anmerkung ist als „(Addendum)15. XII. 1984“ gekennzeichnet und stammt offenbar von Dr. Feldmeier selbst, der in dieser Zeit Erster Sekretär der Scheele-Gesellschaft war. Seit Gründung der Scheele-Gesellschaft hat Dr. Feldmeier höchstwahrscheinlich keine einzige Scheele-Tagung versäumt, auch nicht die pandemiebedingte Online-Tagung 2021 – die auf ihre Art auch etwas Besonderes war – und vor allem nicht die Jubiläumstagung im vergangenen Jahr. Dies war vielleicht die größte Besonderheit, zumindest für uns als Scheele-Mitglieder, dass wir zum 75.Gründungsjubiläum ein Gründungsmitglied unter uns begrüßen durften!
Sein langjähriges aktives Engagement für die Scheele-Gesellschaft, der er von 1956 bis 1987 zunächst als Zweiter, dann als Erster Sekretär gedient hat und die er zudem von 1962 bis 1983 im Präsidium der Pharmazeutischen Gesellschaft der DDR vertrat, wurde von der DPhG bereits in den 1990er Jahren mit der Verleihung der Ehrenmitgliedschaft angemessen gewürdigt.
Dr. Hans Feldmeier hat eine große Familie, die ihn bis heute trägt und begleitet. Mit seiner leider schon vor einigen Jahren verstorbenen Frau Ingeborg Feldmeier, einer ebenfalls promovierten Apothekerin, teilte er die Liebe zur Pharmazie, die beide an drei Kinder und eine Enkelin weitergeben konnten.
Sehr geehrter Herr Dr. Feldmeier, es wäre vermessen und unangemessen, einem Hundertjährigen „ad multos annos“ zuzurufen – obwohl Sie darüber möglicherweise herzlich lachen könnten! Wir als Scheele-Gesellschaft sind sehr dankbar, dass Sie seit vielen Jahren Ihren reichhaltigen Schatz an Berufs- und Lebenserfahrung mit uns teilen! Im Namen des Vorstandes und aller Mitglieder der Scheele-Gesellschaft sowie der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft gratulieren wir Ihnen herzlich zu Ihrem so ganz besonderen Geburtstag und wünschen Ihnen vor allem eines: behalten Sie Ihren Humor!
Prof. Dr. Thomas von Woedtke
Prof. Dr. Christoph Ritter
Prof. Dr. Burkhard Hinz
Prof. Dr. Ulrich Jaehde, Präsident DPhG
Kerstin Tschuck, Geschäftsführerin DPhG