Frankfurt a.M. (27.04.2012) – Die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft e.V. (DPhG) begrüßt prinzipiell Initiativen zur Qualitätssicherung von Rezeptur und Defektur, da in der Apotheke hergestellte Arzneimittel unverzichtbar sind, um Versorgungslücken zu schließen. Die Vorschriften zu Rezeptur und Defektur in der neuen Apothekenbetriebsordnung verfehlen aber ihr Ziel. Sie dienen weniger der Qualitätssicherung, sondern stellen bürokratische Hürden dar, welche die Arzneimittelversorgung einschränken könnten. Die DPhG fordert das Bundeskabinett daher auf, in der abschließenden Sitzung im Mai diese Vorschriften zu modifizieren.
Die DPhG hat bereits in ihrer Stellungnahme zum Referentenentwurf der Apothekenbetriebsordnung am 16.11.2011 darauf hingewiesen, dass individuell in der Apotheke angefertigte Rezepturen ein unverzichtbarer Bestandteil der Arzneimitteltherapie sind. Mit den vom Arzt verordneten Rezepturen („Magistralrezepturen“) lassen sich therapeutische Lücken schließen, wenn Fertigarzneimittel nicht ausreichend stabil sind, Unverträglichkeiten hervorrufen, eine individuelle Dosierung notwendig ist oder wenn Fertigarzneimittel mit einem bestimmten Arzneistoff noch nicht oder nicht mehr zur Verfügung stehen. Ähnlich verhält es sich mit Defekturarzneimittel. Auch hier werden in der Regel Versorgungslücken geschlossen, lediglich die Stückzahl, die benötigt wird. ist größer. Wegen der großen Bedeutung von Rezeptur und Defektur für eine individualisierte Arzneimitteltherapie muss der Verordnungsgeber sicherstellen, dass Rezeptur- und Defekturarzneimittel in jeder Apotheke in hoher Qualität hergestellt werden. Die Vorschriften in der neuen Apothekenbetriebsordnung verfehlen jedoch ihr Ziel, da sie weniger der Qualitätssicherung dienen, sondern durch sie vor allem der bürokratischer Aufwand für die Dokumentation erhöht wird.
Der Verordnungsgeber verkennt auch, dass Rezepturen und Defekturen in der Apotheke ausschließlich von pharmazeutischem Personal angefertigt werden. Pharmazeutisches Personal, insbesondere Apothekerinnen und Apotheker sind aufgrund ihrer anspruchsvollen universitären Ausbildung und der staatlichen Prüfungen bestens qualifiziert, Rezepturen und Defekturen mit hoher Qualität anzufertigen. Apotheker sollten selbst entscheiden können, welche Arbeitsschritte erforderlich sind, um die Qualität von Rezeptur- und Defekturarzneimittel sicherzustellen. Während der Verordnungsgeber in der Begründung der Apothekenbetriebsordnung zurecht feststellt, dass „der Apotheker aufgrund seiner umfassenden wissenschaftlichen Ausbildung in der Lage ist, selbst zu entscheiden, welche wissenschaftlichen Hilfsmittel zur Erfüllung seiner Aufgaben benötigt werden...“ und die Apothekenbetriebsordnung demzufolge auch keine Listen mehr mit erforderlichen Prüfgeräten, Prüfmittel, Maßlösungen und Literatur enthält, wird dem Apotheker im Bereich der Rezeptur und Defektur diese Entscheidungsfähigkeit abgesprochen. Er muss künftig für jede einzelne Rezeptur eine zeitaufwendige Dokumentation erstellen. Bei der Defektur sind die Anforderungen noch höher. So müssen Defekturarzneimittel künftig nach einer eigens angefertigten Prüfanweisung geprüft werden, und die Kennzeichnung der Behältnisse muss entsprechend den umfangreichen Vorgaben des Arzneimittelgesetzes erfolgen. Beide Forderungen orientieren sich an der industriellen Arzneimittelproduktion und lassen sich schwerlich auf den Apothekenbetrieb übertragen.
Die neue Apothekenbetriebsordnung wird gravierende Nachteile für die Arzneimitteltherapie der Bevölkerung mit sich bringen. Es steht zu befürchten, dass die Anfertigung von Rezepturen in der Apotheke durch den unangemessen hohen Zeitbedarf für die Dokumentation erschwert wird, ohne dass damit ein Plus an Qualität verbunden wäre. Und Defekturarzneimittel werden künftig wahrscheinlich nur noch in wenigen Apotheken angefertigt werden, da die Vorschriften nicht apothekengerecht sind. Das wird dazu führen, dass Patienten auf dringend benötigte Arzneimittel, die individuell hergestellt werden, länger warten müssen oder dass Patienten - vor allem im ländlichen Bereich - lange Wege in Kauf nehmen müssen, wenn etwa ein Arzneimittel, das nicht mehr im Rahmen der Defektur vorrätig ist, erst angefertigt werden muss und zu einem späteren Zeitpunkt abgeholt werden kann. Diese Beeinträchtigungen können vom Verordnungsgeber so nicht gewollt sein.
Fazit: Es besteht Handlungsbedarf beim Bundeskabinett. Die Apothekenbetriebsordnung muss hinsichtlich der Vorschriften für Rezeptur und Defektur apothekengerechter werden, um auch künftig die Versorgung der Bevölkerung mit individuell hergestelltem Arzneimittel in hoher Qualität sicherzustellen.
Kathrin Müller, Vizepräsidentin
Dr. Thomas Maschke, Vizepräsident für Finanzen
Prof. Dr. Stefan Laufer, Vizepräsident
Dr. Olaf Queckenberg, Vizepräsident
Prof. Dr. Andreas Link, Generalsekretär
Dr. Michael Stein, Geschäftsführer
Prof. Dr. Dieter Steinhilber, Präsident