Wenn Arbeit krank macht: Erkennung und Therapie von Berufskrankheiten

Wenn Arbeit krank macht: Erkennung und Therapie von Berufskrankheiten

Der Begriff Berufskrankheiten umfasst verschiedene Dimensionen, leitete Jaehde ein, auf der einen Seite die juristische und auf der anderen Seite die medizinische. Die juristische Betrachtung ist eindeutig: Die sogenannte Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) enthält derzeit 73 Krankheiten, die eindeutig als Berufskrankheiten anerkannt sind, woraus sich Rentenansprüche für die Betroffenen ableiten lassen. Psychische Erschöpfungszustände, wie das „Burnout-Syndrom“, zählen bislang nicht zu den Berufskrankheiten, werden aber häufig mit einer hohen Arbeitsbelastung und Überforderung assoziiert. Das Symposium beleuchtete das Thema Berufskrankheiten anhand von zwei fesselnden Vorträgen.

Bergbau führt zu Lungen- und Atemwegserkrankungen

Einige Lungen- und Atemwegserkrankungen lassen sich typischerweise auf die Arbeit im Bergbau zurückführen. Dazu gehören Quarzstaublungenerkrankungen (BK 4101), chronisch obstruktive Bronchitis oder Emphysem (BK 4111), Silikotuberkulose (BK 4102), Asthma (BK 1315) und Lungenkrebs, die Prof. Dr. Rolf Merget vom Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung der Ruhr-Universität-Bochum (IPA) im Folgenden fokussierte. Sie sind alle in der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) aufgenommen. Darüber hinaus gibt es aber auch Berufserkrankungen, die in Bergbau-assoziierten Bereichen vorkommen. So kann die Arbeit in der Kokerei durch den regelmäßigen Kontakt mit Benzol zu Lymphomen führen, das Auftreten von polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) bzw. von aromatischen Aminen kann Lungenkrebs bzw. Harnblasenkrebs begünstigen. Bei der Arbeit am Hochofen kann es zu CO-Vergiftungen kommen und bei der Arbeit im Kraftwerk zu Asbest-assoziierten Erkrankungen. Alle diese Erkrankungen sind auch in der BKV aufgelistet.

Quarz – eine Substanz mit zwei Gesichtern

Quarz ist ein Mineral mit der chemischen Zusammensetzung SiO2 und trigonaler Symmetrie. Er ist die auf der Erdoberfläche stabile Form des Siliciumdioxids, gehört zur Familie der Kieselsäuren und ist nach den Feldspaten das zweithäufigste Mineral der Erdkruste. Insofern sind Bergarbeiter natürlicherweise immer auch einer gewissen Quarzexposition ausgesetzt. Quarz ist in Form von synthetisch hergestellter amorpher Kieselsäure zunächst gesundheitlich unbedenklich. Anders ist es mit der kristallinen Kieselsäure, die in quarzhaltigen Staubteilchen vorkommt. Größere Partikel werden durch das Bronchialsystem aufgehalten. Sind sie jedoch kleiner als 5 μm und werden inhaliert, können sie die Alveolarmakrophagen erreichen. Dann entsteht die sogenannte Silikose oder Quarzstaublunge. Die Quarzteilchen werden von den Alveolarmakrophagen aufgenommen, können jedoch nicht abgebaut werden, so dass die Makrophagen zugrunde gehen. Dadurch wird eine chronische Entzündung in Gang gesetzt, die zur Granulombildung und zur Fibrose, einer Neubildung von Bindegewebe zwischen den Lungenbläschen und den sie umgebenden Blutgefäßen führt. Eine so geschädigte Lunge ist auch Nährboden für weitere Erkrankungen, wie zum Beispiel Lungenkrebs und Tuberkulose. In diesen Fällen spricht man von Lungenkrebs durch Quarz und Siliko-Tuberkulose.

Im Vergleich zur reinen Silikose werden durch anorganische Mischstäube verursachte Lungenerkrankungen als Mischstaubpneumokoniosen bezeichnet. Bei Exposition gegen Kohlengrubenstaub wird die Erkrankung wesentlich durch die Begleitstäube geprägt. Diesem Umstand wird durch die Bezeichnung Anthrakosilikose des Bergmanns Rechnung getragen, die im englischsprachigen Raum als „coalworkers‘ pneumoconiosis“ bezeichnet wird.

Anhand von einigen Kasuistiken und den entsprechenden Röntgenbildern veranschaulichte Merget im Folgenden die pathologischen Veränderungen, zu denen es bei den einzelnen Erkrankungen in der Lunge kommt. Bei der Silikose sind z.B. häufig typisch sogenannte Eierschalen-Lymphknoten zu finden. Durch die Exposition mit Asbeststaub kommt es zur sogenannten Asbestose, einer durch Asbeststaub verursachten Erkrankung der Pleura oder Lunge. Im Röntgenbild sieht man hier die ganz typischen Pleuraplaques, die teilweise auch kalzifizieren können und in Röntgenbildern bis zur beidseitig „gefesselten“ Lunge imponieren (s. Abb 1). Symptomatisch treten bei diesen Patienten Luftnot und Husten auf, funktionsanalytisch besteht eine Restriktion.

Die Latenzzeiten bis zum Auftreten einiger dieser für den Bergbau typischen Erkrankungen, ganz besonders der Silikose und Asbestose sind teilweise recht lang, so dass sie auch noch Jahre nach Beendigung der Tätigkeit im Bergbau erstmalig diagnostiziert werden. Durch unerfahrenere Ärzte, die sich auch nicht über den Beruf des Patienten kundig gemacht haben, werden die oben dargestellten Veränderungen in der bildgebenden Diagnostik manchmal als Tumor fehldiagnostiziert, was zu potentiell unnötigen Operationen führen kann. Nichtsdestotrotz können bei Bergleuten und bei Asbest-Exponierten auch beruflich verursachte maligne Erkrankungen wie Lungen- oder Kehlkopfkrebs und durch Asbeststaub verursachte Mesotheliome auftreten.
Regelmäßige arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen sollten, so Merget, nach standardisierten Ablaufplänen erfolgen. Aus ethischen Gründen sei es leider problematisch, diese mithilfe von Studien zu validieren.
In einer Führung durch die Zeche Zollverein hatten die Teilnehmer im Anschluss an die Vorträge die Möglichkeit, sich selbst ein Bild über die Arbeitsbe¬dingungen im Bergbau zu machen.



Burnout-Syndrom - eine neue Berufskrankheit?

Die Zahl der Krankheitstage wegen psychischer Erkrankungen und Verhaltensstörungen steigt rapide. 2001 waren es bundesweit 33,6 Millionen Arbeitsunfähigkeitstage, 2010 schon 53,5 Millionen. Der Anteil von allen Arbeitsunfähigkeitstagen stieg somit von 6,6 auf 13,1% an. Prof. Dr. Kristina Leuner, Professorin für Molekulare und Klinische Pharmazie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, erläuterte in Essen die Hypothesen zur Pathogenese, die Symptomatik und Präventionsstrategien von Burnout-Syndromen. Im Gegensatz zu anderen Ländern wird Burnout in Deutschland als Krankheit und nicht als berufsassoziiertes Problem und arbeitspsychologisches Konstrukt wahrgenommen. Bei Burnout handelt es sich nicht um eine Berufskrankheit, es existiert weder eine ICD-10 Diagnose, noch ist Burnout in der Berufskrankheiten-Verordnung aufgenommen. Häufig wird der Begriff Burnout auch mit jeglicher Form einer psychischen Krise im Zusammenhang mit Arbeitsbelastung gleichgestellt. Das ist wahrscheinlich auch der Grund dafür, dass Burnout im Gegensatz zur Depression ein gesellschaftlich eher positiv geprägter Begriff ist. Burnout wird als Erkrankung der Leistungsträger, der „Starken“, wahrgenommen, Depression wird dagegen häufig als Erkrankung der „Schwachen“ gesehen. Diese Sichtweise ist natürlich falsch und führt zu einer Stigmatisierung von depressiven Patienten. Im Gegensatz zu einem Burnout-Syndrom handelt es sich bei einer Depression um eine eindeutige, klinisch diagnostizierbare psychische Erkrankung mit eindeutigen Haupt- und Nebensymptomen.

Arbeitspsychologen haben das Burnout-Syndrom wie folgt definiert. Subjektiv klagen die Patienten mit einem Burnout-Syndrom über ein Gefühl der Verausgabung, Müdigkeit, Infektanfälligkeit, häufig Kopfschmerzen, Magen-Darm-Probleme, Schlaflosigkeit und Kurzatmigkeit. Im Kontakt mit Kollegen kommt es zu emotionalen Ausbrüchen und Reizbarkeit. Die emotionale Erschöpfung dieser Patienten zeigt sich durch die Frustration gegenüber dem Berufsleben, Müdigkeit und gedämpften Emotionen. Ursachen für ein Burnout sind andauernde Arbeitsüberforderung. Die Folgen eines Burnout-Syndroms sind ein reduziertes Selbstwertgefühl, geminderte Motivation und Kreativität. Als Folgeerkrankungen können Depressionen, aber auch somatische und andere psychische Erkrankungen auftreten. Risikofaktoren für Burnout sind Verausgabungsbereitschaft, Perfektionsstreben, geringe Distanzierbarkeit und mangelndes Selbstwertgefühl. Als mögliche Gründe für das gehäufte Auftreten von Burnout wird die Veränderung der globalen Wirtschaft diskutiert, die eine ständige Effizienzsteigerung fordert, verbunden mit Multitasking, ständiger Erreichbarkeit und internationalem Konkurrenzkampf.

Auf neurobiologischer Ebene gibt es sehr wenige wissenschaftliche Untersuchungen zum Burnout-Syndrom. Es konnte jedoch gezeigt werden, dass negativer Stress zu erhöhten Glukokortikoidspiegeln führt, die wiederum ein Absterben von Neuronen und eine verringerte synaptische Plastizität bedingen. Zum Teufelskreis wird dieser Vorgang, weil durch die verringerte Synapsenplastizität eine Stressbewältigung (Coping) schlechter möglich ist, was zu erneutem bzw. andauerndem Stress führt. Diese Untersuchungen wurden durchgeführt, um die Pathophysiologie der Depression besser zu verstehen. Auch negativer Stress wird als ein Faktor eines multikausalen Bedingungsgefüges bei Depressionen diskutiert.

Wie kann man ein Burnout-Syndrom vermeiden?

Abschließend widmete sich Leuner auch möglichen Präventionsstrategien und Therapieansätzen bei Burnout. Hier werden arbeitspsychologisch verschiedene Maßnahmen diskutiert wie z.B. das regelmäßige Einplanen von Regenerationsphasen oder eine Begrenzung der Arbeitsstunden. Die Pflege von Kollegialität und körperliche Fitness sind auch sinnvoll. Gelegentlicher Wechsel des Arbeitsplatzes bei einer monotonen Arbeit und Unterbrechung der Routine durch Weiterbildung können sich ebenfalls positiv auswirken. In dem Sinne sollte jeder seine Arbeitszeit und seine Regenerationszeit bewusst einplanen.
Therapeutische Ansätze der Arbeitspsychologen sind bei Arbeitnehmern mit einem Burnout-Syndrom eine Arbeitsplatzanalyse, Psychotherapie und möglicherweise auch eine Einbindung des sozialen Umfeldes. Da mit einem Burnout auch häufig eine Depression einhergehen kann, muss diese im besten Falle kombiniert pharmakologisch mit Antidepressiva und mit einer Psychotherapie behandelt werden. Auf jeden Fall muss eine ganzheitliche Therapie erfolgen, resümierte Leuner.

Dr. Annette Junker, Wermelskirchen

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