Frankfurt a. M. (16.11.2011) – Individuell in der Apotheke angefertigte Rezepturen sind ein unverzichtbarer Bestandteil der Arzneimitteltherapie und eine zentrale Voraussetzung für eine moderne, personalisierte Medizin. Vor diesem Hintergrund erscheint es unverständlich, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die individuelle Arzneimittelherstellung in Filialverbünden künftig nicht mehr in den Filialapotheken erfolgen soll, sondern nur noch in den Hauptapotheken. Die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft e.V. (DPhG) fordert das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) zur Überarbeitung des Referentenentwurfs auf.
Trotz etwa 50.000 zugelassener Fertigarzneimittel werden in Deutschland jährlich allein für die Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen etwa 16 Millionen Rezepturen aufgrund einer ärztlichen Verordnung angefertigt. Etwa die Hälfte der verordneten Rezepturen stammt von Dermatologen. Die Rezepturen von Kinderärzten haben einen Anteil von knapp 10 Prozent. Mit diesen „Magistralrezepturen“ lassen sich therapeutische Lücken schließen, wenn Fertigarzneimittel nicht ausreichend stabil sind oder eine individuelle Dosierung notwendig ist oder wenn Fertigarzneimittel mit einem bestimmten Arzneistoff noch nicht oder nicht mehr zur Verfügung stehen. Heute sind individuell in der Apotheke angefertigte Rezepturen ein unverzichtbarer Bestandteil der Arzneimitteltherapie.
Nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes über das Apothekenwesen (ApoG) obliegt den Apotheken „die im öffentlichen Interesse gebotene Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung“. Angesichts dieses gesetzmäßigen Auftrags der öffentlichen Apotheken für das hohe Gut „Gesundheit“ und angesichts der Bedeutung der Individualrezeptur innerhalb der Arzneimitteltherapie fordert die DPhG, dass jede öffentliche Apotheke jederzeit Rezepturen herstellen können muss. Das vom BMG in der Begründung vorgebrachte Argument der Kostenersparnis, wenn nur in der Hauptapotheke eines Filialverbunds ein Rezepturbereich vorhanden wäre, überzeugt nicht. Denn so wichtig Einsparmaßnahmen im Gesundheitswesen auch sind: Sie dürfen keine Verschlechterung der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung zur Folge haben. Genau dies wäre aber der Fall, wenn eine pharmazeutische Kernaufgabe nicht mehr von den Filialapotheken wahrgenommen würde und damit derjenige Teil der Bevölkerung benachteiligt wäre, der auf Filialapotheken angewiesen ist. Dies kann nicht im Interesse des BMG sein.
Dazu kommt: Individuell in der Apotheke angefertigte Rezepturen müssen hinsichtlich der Qualität die gleichen hohen Anforderungen erfüllen, die für Fertigarzneimittel gelten. Nur pharmazeutisches Personal, insbesondere Apothekerinnen und Apotheker sind aufgrund ihrer anspruchsvollen universitären Ausbildung dafür qualifiziert, diese Aufgabe zum Wohle unserer Bevölkerung in jeder Apotheke zu erfüllen. Die DPhG begrüßt die im Referentenentwurf geforderte Einführung eines Qualitätsmanagementsystems (QM-System). Das QM-System sollte aber nicht nur für bestimmte Tätigkeiten in einer Hauptapotheke (Defektur) zur Anwendung kommen, sondern für alle zentralen pharmazeutischen Tätigkeiten in jeder Apotheke. Ein weiterer Kritikpunkt: Aus wissenschaftlichen Gründen muss die im Referentenentwurf vorgesehene Einbindung von nichtpharmazeutischem Personal in die Herstellung von Rezepturen und Arzneimitteln abgelehnt werden. Zu groß wäre die Gefahr, dass aus mangelnder Kenntnis beispielsweise Ausgangsstoffe verwechselt würden, was in der Industrie nur durch sehr aufwändige Inprozesskontrollen verhindert werden kann. Rezeptur und Defektur sind eben hochkomplexe pharmazeutische Tätigkeiten, die in der Apotheke auch weiterhin ausschließlich von pharmazeutischem Personal ausgeführt werden sollten. Andernfalls wäre unsere Bevölkerung hohen gesundheitlichen Risiken ausgesetzt.
Die DPhG fordert weiterhin, das Apothekenlabor in jeder Apotheke beizubehalten, denn die Prüfung von Arzneimitteln, seien es Fertigarzneimittel oder individuell in der Apotheke hergestellte Rezepturen, ist eine Kernaufgabe des Apothekers, die der Arzneimittelsicherheit dient. Da das BMG in seiner Begründung des Referentenentwurfs als zentralen Punkt gerade die Verbesserung der Arzneimittelsicherheit nennt, ist es aus Sicht der DPhG zwingend notwendig, dass jede Apotheke auch weiterhin ein Labor hat.
Die DPhG sieht im Hinblick auf die ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung akuten Handlungsbedarf beim Bundesministerium für Gesundheit. Der Referentenentwurf muss in wesentlichen Punkten nachgebessert werden. Das Anfertigen von Rezepturen oder das Prüfen von Arzneimitteln im Labor muss auch künftig in jeder öffentlichen Apotheke möglich sein. Eine Apothekenbetriebsordnung, die diesen Grundsatz missachtet, darf nicht in Kraft treten.
Dr. Anke Ritter, Vizepräsidentin
Dr. Petra Schoettler, Vizepräsidentin
Dr. Thomas Maschke, Vizepräsident für Finanzen
Prof. Dr. Susanne Alban, Vizepräsidentin
Prof. Dr. Andreas Link, Generalsekretär
Prof. Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz, amtierender Präsident
Dr. Michael Stein, Geschäftsführer
Prof. Dr. Dieter Steinhilber, Präsident (2012-2015)