Statement und Resolution zur "Phytoäquivalenz"

Statement und Resolution zur "Phytoäquivalenz"

(30.01.2015). Anlässlich einer Diskussionsrunde, zu der die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft Experten aus Hochschule, Industrie und von Zulassungsbehörden sowie Kliniker mit speziellen Erfahrungen in der Phytotherapie eingeladen hatte, wurden die Rahmenbedingungen für die Zulassung pflanzlicher Arzneimittel diskutiert und Kriterien herausgearbeitet, die bei einem bezugnehmenden bzw. bibliographischen Antrag zu berücksichtigen sind.

Die Sachverständigen stellten einvernehmlich heraus, dass bei pflanzlichen Arzneimitteln bis heute teilweise noch beträchtliche Erkenntnislücken bestehen. Im Interesse der betroffenen Patienten, aber auch der behandelnden Ärzte und der beratenden Apotheker, sollten diese Wissensdefizite dringend abgebaut werden. Diese können die Wirksamkeit betreffen, die in vielen Fällen nach den heutigen Standards als nicht ausreichend klinisch belegt anzusehen ist, aber auch bisweilen Aspekte der Arzneimittelsicherheit.

In diesem Sinne wird ein nachdrücklicher Appell an die verantwortlichen pharmazeutischen Unternehmen, aber auch die Wissenschaftler in Hochschulen und Forschungseinrichtungen gerichtet, hier ihre Anstrengungen erheblich zu intensivieren. Gleichzeitig wurde aber auch herausgestellt, dass die derzeitigen Rahmenbedingungen für entsprechende Initiativen nicht befriedigend sind. Dies gilt sowohl für die wissenschaftlichen Institute, deren beschränkten Forschungsbudgets oft keine ausreichende finanzielle Grundlage für die hier erforderlichen Forschungsprojekte bieten, als auch für die pharmazeutische Industrie, die zwar grundsätzlich zu einem entsprechenden Investment im Rahmen der Arzneimittelentwicklung bereit ist, aber verständlicherweise eine angemessene Refinanzierungsmöglichkeit erwartet. Letztere ist aber nur dann realisierbar, wenn die dabei erarbeiteten Erkenntnisse auch über einen ausreichend langen Zeitraum exklusiv genutzt werden können.

Dies kann jedoch angesichts des gesetzlichen Rahmens für die Zulassung pflanzlicher Arzneimittel in Europa derzeit nicht gewährleistet werden, da nach Ablauf der 10-jährigen Phase einer verbreiteten Anwendung des Arzneimittels – und damit dem Erreichen des sog. "Well-established-use"-Status – alle zur Wirksamkeit und Sicherheit des betreffenden Arzneimittels öffentlich zugänglichen Informationen unmittelbar auch durch einen Zweitanmelder verwendet werden dürfen, selbst wenn diese Daten tatsächlich erst weniger als zehn Jahre alt sind.

Um diese offensichtlichen Innovationshindernisse zu beseitigen und innovative Forschung auf dem Sektor der Phytopharmaka zu fördern, wurde von den Teilnehmern des Treffens die nachfolgende Resolution verfasst und gefordert, die gesetzlichen Rahmenbedingungen entsprechend zu ändern. Dabei haben sich die Vertreter der Zulassungsbehörden an dieser Konsensfindung nicht beteiligt, um eventuelle Interessenskonflikte durch eine öffentliche Positionierung zu vermeiden.

Resolution



Auf dem Gebiet der Therapie mit pflanzlichen Arzneimitteln besteht nach wie vor ein erheblicher Forschungsbedarf, um diese wichtige Behandlungsoption im Interesse der Patienten durch Schließen der bestehenden Erkenntnislücken zu stützen. Die Entwicklung innovativer Phytopharmaka erfordert erhebliche Investitionen durch die pharmazeutischen Unternehmen. Diese sind jedoch nur zu verantworten, wenn die Rahmenbedingungen auch eine angemessene Refinanzierung durch eine – temporär – exklusive Vermarktung der dabei entwickelten neuen Produkte bzw. neuen Indikationen ermöglichen. Dies ist zurzeit nicht der Fall. Die Sachverständigen des Expertentreffens halten daher Änderungen an den derzeitigen gesetzlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen für dringend geboten, um Anreize für Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet pflanzlicher Arzneimittel zu setzen. Dies könnte dadurch erreicht werden, dass der Innovator die dabei erarbeiteten Erkenntnisse über einen angemessen langen Zeitraum – z.B. wie bei chemisch-synthetischen Arzneimitteln durch 10-jährigen Unterlagenschutz – exklusiv nutzen darf und eine Bezugnahme durch andere Wirtschaftsunternehmen erst nach Ablauf dieser Frist statthaft ist. Allerdings wird Wert darauf gelegt, dass diese Regelung nur für solche Innovationen gelten sollte, mit denen ein relevanter therapeutischer Fortschritt für den Patienten erreicht wird. Dies gilt z.B. für

  • Nachweise zur klinischen Wirksamkeit pflanzlicher Arzneimittel mit Hilfe kontrollierter klinischer Studien,
  • klinische Belege zur sicheren Anwendung der Produkte in neuen Indikationsgebieten,
  • Entwicklung rational begründeter innovativer Darreichungsformen oder neuer Applikationswege, über die Arzneimittel sicherer verabreicht oder andere therapeutische Vorteile erreicht werden können, z.B. in Form einer verlängerten Wirksamkeit oder verbesserten Verträglichkeit.



Ferner wird es als essenziell erachtet, dass eine Bezugnahme auf die innovativen Erkenntnisse auch nach Ablauf einer solchen Schutzfrist nur dann akzeptiert werden kann, wenn für ein daraufhin entwickeltes Nachfolgeprodukt wissenschaftlich eindeutig belegt wird, dass seine Eigenschaften mit denen des Innovatorpräparates weitgehend übereinstimmen und daher die klinischen Erkenntnisse auf das neue Produkt gleichermaßen zutreffen. Aus Sicht der Fachkreise ist schließlich wichtig, dass beides, Äquivalenz der Eigenschaften und Übertragbarkeit der klinischen Erkenntnisse, auch transparent kommuniziert wird, was bislang bedauerlicherweise nur selten der Fall ist.

An diesem Statement haben mitgewirkt:

S. Alban (Kiel), H. Blume (Oberursel), K. Brauer (Essen), T. Dingermann (Frankfurt), F. Donath (Erfurt), S. Fey (Hattingen), M. Habs (Karlsruhe), T. Kempmann (Tettnang), B. Reiken (Hohenlockstedt), B. Röther (Neumarkt), M. Ullmann (München), M. Veit (Planegg), R-S. Wedemeyer (Oberursel), W. Weitschies (Greifswald)

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